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Eine Wanderausstellung der Lebenshilfe in Mecklenburg-Vorpommern erzählt vom

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Selbstverständlich–Miteinander–Sein

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„Ringlein, Ringlein, Du musst wandern“, haben wir als Kinder gesungen. „Das Wandern ist des Müllers Lust“, auch dieses Lied ist allgemein bekannt. Warum aber wandern Ringe und Müller? Das hat sich mir bis heute nicht erschlossen. Nun wandern auch Ausstellungen. Diese hier auf dem Foto ist die Wanderausstellung des Landesverbands der Lebenshilfe Mecklenburg-Vorpommern. Ein Partnerprojekt der Aktion Mensch. Warum diese Ausstellung wandert? Lesen Sie weiter.
Logo der Wanderausstellung der Lebenshilfe MV "Selbstverständlich–Miteinander–Sein"
Tanzender Mann in blauer Kleidung zeigt auf Schrift Wanderausstellung Lebenshilfe MV 2022-2025
Die Lebenshilfe in Ostdeutschland hat eine kurze Geschichte. Allerdings nur, wenn man es auf die Lebenserwartungsspanne eines Menschen bezieht – im Durchschnitt. Sie ist Anfang 30, ein Kind der Wende mit mutigen Eltern. Die Lebenshilfe widmet sich aber nicht dem Durchschnitt der Bevölkerung, sondern den Menschen mit geistigen und mehrfachen Beeinträchtigungen. Behindert, sagt man im Volksmund und in den Gesetzestexten. Geistig behindert. „Na und?“, fragen wir. Das machen wir nicht aus Trotz. Wir machen das aus Menschlichkeit. Die Menschlichkeit ist definiert; sie ist beschrieben in den Menschenrechten. Und diese Menschenrechte fordern wir ein.

Wir bestimmen mit! Wir – das sind in diesem Falle alle Involvierten, alle Menschen, die sich der Lebenshilfe in ihren Strukturen zugehörig fühlen. Egal in welcher Weise wir beeinträchtigt sind oder auch nicht – wir gehören zusammen. Und wir erwarten, mit unseren Wortmeldungen und Taten auch gehört und wahrgenommen zu werden.

„Die Lebenshilfe will eine Gesellschaft, in der Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen willkommen sind. Alle Menschen sollen selbstständig und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Sie müssen deshalb ihre Bürger-Rechte kennen und ausüben. Auch Menschen mit einer Behinderung können selbst entscheiden, wie sie gerne leben möchten.“

(Tafel 1 „Wir bestimmen mit“ der Wanderausstellung „Selbstverständlich–Miteinander–Sein“ )

Das Zitat stammt von einer Tafel – von der ersten Tafel – unserer Wanderausstellung „Selbstverständlich · Miteinander · Sein“. Ihre Illustration zeigt eine Personengruppe von jung bis alt, mit verschiedenen Formen der Beeinträchtigung, kenntlich gemacht, sichtbar oder auch fürs Auge nicht sichtbar. Sprechblasen mit Ausrufezeichen und einem Paragrafen-Zeichen, sowie den Worten ARBEIT, WAHL, WOHNEN und ein Auslassungszeichen (drei Punkte) schweben über ihren Köpfen. In den Blautönen wirken die Personen seriös und optimistisch.

Wer bestimmt über mich, wenn ich das selber machen will

Damit sind schon mehrere Themen angesprochen, die diese Wanderausstellung aufwirft: Behindert werden und beeinträchtigt sein, darf nicht bedeuten, nicht teilhaben zu dürfen oder zu können, an allen Aspekten des Lebens in einer modernen Gesellschaft wie der unseren. So steht es in den Gesetzen – jetzt muss es auch umgesetzt werden! Wer bestimmt, wo ich arbeiten darf? Wer, wenn nicht ich selber, bestimmt, ob ich wählen gehe und meine demokratischen Rechte wahrnehme? Wer bestimmt denn, ob ich allein oder in einer Wohngemeinschaft wohnen darf und kann? Der Geldbeutel? Das Angebot? Die Barrieren? Der Staat und seine Vertreter? Die Nachbarn und Arbeitskollegen? Zuallererst doch wohl die betreffende Person selbst! Aber – das allein reicht eben nicht!

Gleichberechtigte Teilhabe auch ausüben können

Es sind die Umstände, die Lebensumstände, die vielen kleinen und größeren Barrieren, in der Infrastruktur, in den Institutionen und in den Köpfen, die es oft so schwer machen, trotz Unterstützersystemen, gleichberechtigte Teilhabe auch ausüben zu können. Auch das betrifft uns alle, den einen mehr, die andere weniger. Aufzustehen und für sich selbst einzustehen, sich selbst zu vertreten – auch das muss man erst lernen! Sich einbringen, mit anderen zusammenarbeiten, andere gewinnen für die eigenen Ideen, nicht aufzugeben – auch das will gelernt sein. Aber auch: anderen etwas zutrauen, anderen dabei helfen, ihre Grenzen neu zu entdecken und zu verschieben, andere wachsen zu sehen ist eine große Aufgabe. Und sicher auch mehr als das – ein Bedürfnis und ein Geschenk. Ünterstützung zu bekommen und Unterstützung zu geben – das liegt oft gar nicht so weit auseinader.

„Die Gesetze sind weiter als die Gesellschaft. Es muss für jeden selbstverständlich werden, dass alle Menschen gleich viel wert sind. Das bereichert unser aller Leben.“

Clemens Russell, Geschäftsführer des Landesverbands der Lebenshilfe Mecklenburg-Vorpommern e. V.

Die sechste Tafel unserer Wanderausstellung mit der Überschrift „Gemeinsam für Inklusion“ erklärt dann auch für die Arbeit des Landesverbands:

„Wir arbeiten in 5 großen Bereichen:

1. Beratung und Weiterbildung
2. Vertretung und Vernetzung
3. Selbstvertretung
4. Organisations-Entwicklung und Projekt-Management
5. Bewusstseins-Bildung und Öffentlichkeits-Arbeit“

Und genau das bilden wir nicht nur in der Wanderausstellung ab und bringen es, mit ihr wandernd, Ihnen näher. Genau das ist auch der Sinn der Wanderausstellung: alle diese Prozesse anzustoßen – dort wo es notwendig ist, aber natürlich vorrangig dort, wo es auch möglich ist.

Das klingt nach sehr viel und macht sich ziemlich groß. Können wir das einlösen? Nun – die Zeit wird es zeigen. Doch wir haben auch schon Ergebnisse und Prozesse, die in diese Richtung weisen. Lassen Sie uns Ihnen von dem Ausstellungsbegleit-Projekt der Selbstvertreter erzählen.

Beeinträchtigte führen als Selbstvertreter durch die Wanderausstellung

Wir beschreiten als Gesellschaft den Weg, den die Menschenrechte, übersetzt in europäische und deutsche Gesetzgebung, weisen: weg von der Fürsorge – hin zur Beteiligung aller Menschen. Das nennen wir Inklusion. Es gibt wohl auch europäische Gesellschaften, die auf diesem Weg voran gehen. Da bleibt einiges zu tun hier. Für diese Wanderausstellung war allerdings schon am Anfang klar: Ohne eine breite Beteiligung unserer Strukturen und ohne die Mitwirkung der beeinträchtigten Menschen, kann die Ausstellung nicht die benötigte Qualität erreichen.

So gab es Beteiligungsprozesse bei der Textentwicklung 2021 bis hin zur Finalisierung im Sommer 2022, bei der Ideenfindung zu Aspekten der Illustration und der Gestaltung bis hin zur Einsatzplanung. Viele langjährige Partner und Begleiter der Lebenshilfe in MV brachten ihren reichen Erfahrungsschatz ein. Viele Frauen und Männer in den unterschiedlichen Professionen und in ihrer Selbstvertretung sagten ihre Meinung und teilten ihre Erfahrungen mit uns. Besonders wertvoll erweist sich ein Begleitprojekt der Wanderausstellung, die sogenannten Ausstellungsbegleiter. Mit capito Mecklenburg-Vorpommern der Lebenshilfewerk Hagenow gGmbH haben wir hier eine Partnerin, die uns hilft, zwölf geistig beeinträchtigte Frauen und Männer in Selbstvertretung als Ausstellungsbegleiter zu schulen und weiter fortzubilden.

Die Präsentationen der Gruppe ergänzen die Einsätze der Wanderausstellung um eine ganze Dimension: die persönliche Erfahrung, das Erlebte und die persönlichen Einstellungen. Erzählt die Ausstellung selbst in Text und Bild, und über QR-Codes und unsere Internet-Präsentation mit Vorlese-Funktion auch im „Hörbuch“-Format, von Geschichte und Gegenwart der Inklusion in der Lebenshilfe in Mecklenburg-Vorpommern, erfährt das Publikum der, um die Präsentationen erweiterten, Ausstellung fast hautnah Informationen und Emotionen aus erster Hand.

Die jüngeren und älteren Frauen und Männer dabei wachsen zu sehen, als Gruppe zusammenzuwachsen und auch in ihrer persönlichen Entwicklung, ist ein großes Geschenk. Für sie hat sich eine Forderung von Tafel 7 der Wanderausstellung bereits erfüllt:

„Anerkannt werden, genauso wie alle anderen und mit allen anderen mitmachen können!“

Basiselement koordinierter Veranstaltungen an den Orten der Lebenshilfe in MV

Aber auch die Organisation der Lebenshilfe in MV ist dabei organisatorisch herausgefordert, lernt und vermittelt neue Erkenntnisse. Die Aktionswoche mit Wanderausstellung der Lebenshilfe Güstrow hat einiges an Erfahrungen und Entdeckungen gebracht: Es liegt großes Potential in der Wanderausstellung, wenn man sie als Basiselement koordinierter Veranstaltungen an den Orten der Lebenshilfe in MV in Zusammenarbeit der lokalen und der Landesebene einsetzt.

Und auch dann bleibt die Wanderausstellung des Landesverbands der Lebenshilfe Mecklenburg-Vorpommern „Selbstverständlich · Miteinander · Sein“ noch das, was sie doch mindestens sein sollte und ist: eine gelungene, informative, wohlansehliche Ausstellung, die zum Nachdenken und Handeln anregt. Danke an die Hilfe und Unterstützung an alle Beteiligten und an die Aktion Mensch! Wer weiß – vielleicht demnächst auch in Ihrer Nähe.

Autor des Artikels:

Andreas Beck
Projekt Wanderausstellung beim Landesverband der Lebenshilfe Mecklenburg-Vorpommern
(ausstellung@lebenshilfe-mv.de, +49 176 46597888)

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