„Die Lebenshilfe will eine Gesellschaft, in der Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen willkommen sind. Alle Menschen sollen selbstständig und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Sie müssen deshalb ihre Bürger-Rechte kennen und ausüben. Auch Menschen mit einer Behinderung können selbst entscheiden, wie sie gerne leben möchten.“
(Tafel 1 „Wir bestimmen mit“ der Wanderausstellung „Selbstverständlich–Miteinander–Sein“ )
Es sind die Umstände, die Lebensumstände, die vielen kleinen und größeren Barrieren, in der Infrastruktur, in den Institutionen und in den Köpfen, die es oft so schwer machen, trotz Unterstützersystemen, gleichberechtigte Teilhabe auch ausüben zu können. Auch das betrifft uns alle, den einen mehr, die andere weniger. Aufzustehen und für sich selbst einzustehen, sich selbst zu vertreten – auch das muss man erst lernen! Sich einbringen, mit anderen zusammenarbeiten, andere gewinnen für die eigenen Ideen, nicht aufzugeben – auch das will gelernt sein. Aber auch: anderen etwas zutrauen, anderen dabei helfen, ihre Grenzen neu zu entdecken und zu verschieben, andere wachsen zu sehen ist eine große Aufgabe. Und sicher auch mehr als das – ein Bedürfnis und ein Geschenk. Ünterstützung zu bekommen und Unterstützung zu geben – das liegt oft gar nicht so weit auseinader.
„Die Gesetze sind weiter als die Gesellschaft. Es muss für jeden selbstverständlich werden, dass alle Menschen gleich viel wert sind. Das bereichert unser aller Leben.“
Clemens Russell, Geschäftsführer des Landesverbands der Lebenshilfe Mecklenburg-Vorpommern e. V.
Die sechste Tafel unserer Wanderausstellung mit der Überschrift „Gemeinsam für Inklusion“ erklärt dann auch für die Arbeit des Landesverbands:
„Wir arbeiten in 5 großen Bereichen:
1. Beratung und Weiterbildung
2. Vertretung und Vernetzung
3. Selbstvertretung
4. Organisations-Entwicklung und Projekt-Management
5. Bewusstseins-Bildung und Öffentlichkeits-Arbeit“
Und genau das bilden wir nicht nur in der Wanderausstellung ab und bringen es, mit ihr wandernd, Ihnen näher. Genau das ist auch der Sinn der Wanderausstellung: alle diese Prozesse anzustoßen – dort wo es notwendig ist, aber natürlich vorrangig dort, wo es auch möglich ist.
Das klingt nach sehr viel und macht sich ziemlich groß. Können wir das einlösen? Nun – die Zeit wird es zeigen. Doch wir haben auch schon Ergebnisse und Prozesse, die in diese Richtung weisen. Lassen Sie uns Ihnen von dem Ausstellungsbegleit-Projekt der Selbstvertreter erzählen.
Wir beschreiten als Gesellschaft den Weg, den die Menschenrechte, übersetzt in europäische und deutsche Gesetzgebung, weisen: weg von der Fürsorge – hin zur Beteiligung aller Menschen. Das nennen wir Inklusion. Es gibt wohl auch europäische Gesellschaften, die auf diesem Weg voran gehen. Da bleibt einiges zu tun hier. Für diese Wanderausstellung war allerdings schon am Anfang klar: Ohne eine breite Beteiligung unserer Strukturen und ohne die Mitwirkung der beeinträchtigten Menschen, kann die Ausstellung nicht die benötigte Qualität erreichen.
So gab es Beteiligungsprozesse bei der Textentwicklung 2021 bis hin zur Finalisierung im Sommer 2022, bei der Ideenfindung zu Aspekten der Illustration und der Gestaltung bis hin zur Einsatzplanung. Viele langjährige Partner und Begleiter der Lebenshilfe in MV brachten ihren reichen Erfahrungsschatz ein. Viele Frauen und Männer in den unterschiedlichen Professionen und in ihrer Selbstvertretung sagten ihre Meinung und teilten ihre Erfahrungen mit uns. Besonders wertvoll erweist sich ein Begleitprojekt der Wanderausstellung, die sogenannten Ausstellungsbegleiter. Mit capito Mecklenburg-Vorpommern der Lebenshilfewerk Hagenow gGmbH haben wir hier eine Partnerin, die uns hilft, zwölf geistig beeinträchtigte Frauen und Männer in Selbstvertretung als Ausstellungsbegleiter zu schulen und weiter fortzubilden.
Die Präsentationen der Gruppe ergänzen die Einsätze der Wanderausstellung um eine ganze Dimension: die persönliche Erfahrung, das Erlebte und die persönlichen Einstellungen. Erzählt die Ausstellung selbst in Text und Bild, und über QR-Codes und unsere Internet-Präsentation mit Vorlese-Funktion auch im „Hörbuch“-Format, von Geschichte und Gegenwart der Inklusion in der Lebenshilfe in Mecklenburg-Vorpommern, erfährt das Publikum der, um die Präsentationen erweiterten, Ausstellung fast hautnah Informationen und Emotionen aus erster Hand.
Die jüngeren und älteren Frauen und Männer dabei wachsen zu sehen, als Gruppe zusammenzuwachsen und auch in ihrer persönlichen Entwicklung, ist ein großes Geschenk. Für sie hat sich eine Forderung von Tafel 7 der Wanderausstellung bereits erfüllt:
„Anerkannt werden, genauso wie alle anderen und mit allen anderen mitmachen können!“
Aber auch die Organisation der Lebenshilfe in MV ist dabei organisatorisch herausgefordert, lernt und vermittelt neue Erkenntnisse. Die Aktionswoche mit Wanderausstellung der Lebenshilfe Güstrow hat einiges an Erfahrungen und Entdeckungen gebracht: Es liegt großes Potential in der Wanderausstellung, wenn man sie als Basiselement koordinierter Veranstaltungen an den Orten der Lebenshilfe in MV in Zusammenarbeit der lokalen und der Landesebene einsetzt.
Und auch dann bleibt die Wanderausstellung des Landesverbands der Lebenshilfe Mecklenburg-Vorpommern „Selbstverständlich · Miteinander · Sein“ noch das, was sie doch mindestens sein sollte und ist: eine gelungene, informative, wohlansehliche Ausstellung, die zum Nachdenken und Handeln anregt. Danke an die Hilfe und Unterstützung an alle Beteiligten und an die Aktion Mensch! Wer weiß – vielleicht demnächst auch in Ihrer Nähe.
Autor des Artikels:
Andreas Beck
Projekt Wanderausstellung beim Landesverband der Lebenshilfe Mecklenburg-Vorpommern
(ausstellung@lebenshilfe-mv.de, +49 176 46597888)